Mit der Kombination von Luthers Namen und dem Land Bayern sind zwei Botschaften an die Welt verbunden. 1530 verlesen seine Mitstreiter vor dem Reichstag das „Augsburger Bekenntnis“, einen 28 Artikel umfassenden Text, der bis heute den 80 Millionen Lutheranern als Grundlage ihres Glaubens gilt. Und kurz vor der Jahrtausendwende, im Oktober 1999, unterzeichnen Vertreter des Vatikans und des Lutherischen Weltbundes eine „Gemeinsame Erklärung zur Rechtfertigungslehre“ – ebenfalls in Augsburg. Das Dokument bringt zum Ausdruck: Der Streit der Konfessionen ist entschärft. Nach fast 500 Jahren steht die Überzeugung der Reformatoren, dass der Mensch durch den Glauben an Christus gerechtfertigt ist und nicht etwa durch seine Frömmigkeit, seine Leistung oder seine Position, nicht mehr trennend zwischen Katholiken und Protestanten. Endlich.
Zuerst die Ökumene.“
Bibel und Vernunft
Stefan Kirchberger kennt beide Lutherstädte. Er war Pfarrer in Augsburg und ist seit November 2016 Dekan in Coburg mit Pfarramt an der Morizkirche. „Wir müssen sagen können, was wir glauben, aber nicht in der Absicht, uns zu trennen, sondern so, dass es die Gutwilligen zusammenbringt.“ Darum sei es schon 1530 gegangen: Die Vertreter der Reformation hätten überzeugen wollen, gestützt auf die Bibel und die Vernunft. „Das trägt uns bis heute“, ist Kirchberger überzeugt.
„Luther in Bayern, das bedeutet: zuerst die Ökumene“, bestätigt auch Landesbischof Heinrich Bedford-Strohm, interessanterweise ein Vorgänger Kirchbergers in der Morizkirche. Und er verweist darauf, dass das Jubiläum 2017, wenn sich der Anschlag der 95 Thesen Luthers zum 500. Mal jährt, „zum ersten Mal nicht von Abgrenzung geprägt ist“.
Beide freuen sich auf die Feiern im Juni 2017 in Augsburg, zum Jahrestag der Verlesung des Bekenntnisses. Typisch evangelisch: geplant mit vielen Ehrenamtlichen aus den Gemeinden. Und, dann eher volkstümlich, mit einem ökumenischen Schafkopfturnier am Reformationstag. Das „Stechen“ – früher zwischen den Konfessionen durchaus auch wörtlich verstanden – wird zum Spiel, verläuft nach Regeln und in wechselnden Rollen.
Auch mit dem Freistaat hat sich eine gute Kooperation entwickelt. Die Bayerische Landesausstellung 2017 mit dem Thema „Ritter, Bauern, Lutheraner“ ist der Reformationszeit gewidmet. Schauplätze sind die Veste Coburg und die Morizkirche. „Wir freuen uns über die intensive Zusammenarbeit und das positive Echo der evangelischen Kirche“, sagt Richard Loibl, der Direktor des Hauses der Bayerischen Geschichte, das die Ausstellung veranstaltet.
Ein breites evangelisches Band
Gut ein Viertel der bayerischen Bevölkerung ist evangelisch: Seit der Reformation durchzieht mit Franken ein breites evangelisches Band die Landkarte Bayerns. Gleiches gilt für Unterfranken, den Bamberger Raum und die Oberpfalz. Auch die früheren Reichsstädte, allen voran Augsburg, haben hohe evangelische Bevölkerungsanteile. Oder Nürnberg: 1525 führte es als erste Stadt in Deutschland die Reformation ein. Im gleichen Jahr übrigens heiratete Luther. Und der Rat der Stadt Wittenberg soll ihm sieben Kannen Frankenwein geschenkt haben. An Luther erinnern in Bayern viele Porträts, Gemälde, Drucke und Skulpturen in den Kirchen. Oft ist der Reformator mit der Bibel in der Hand abgebildet, denn das Wort, so sagte er selbst, sei „der Wagen, in dem die Gnade Gottes fährt“.
Mit den Wirkungen und Erträgen der Reformation ist auch die Denkfabrik der bayerischen Landeskirche beschäftigt, die Evangelische Akademie Tutzing am Starnberger See. „Wir richten den Blick nach vorn“, sagt Akademiedirektor Udo Hahn, „und fragen nach Reformwirkungen in den Kirchen und Religionen.“ So hat sich der ehemalige Vorsitzende der katholischen Deutschen Bischofskonferenz Karl Kardinal Lehmann in Tutzing angesagt, mit einem selbstkritischen, fast reformatorischen Thema: „Traditionstreue und Erneuerung in der römisch-katholischen Kirche", sein Nachfolger Reinhard Kardinal Marx nimmt dort an einer Podiumsdiskussion über gemeinsame Herausforderungen der Kirchen teil. Und die nach wie vor nicht behobenen Differenzen zwischen den Konfessionen? Auch darüber will und wird man im Jubiläumsjahr diskutieren.